Abschied
"Was tust du denn hier?"
"Du weißt wieso ich hier bin. Die Zeit ist gekommen. Ich hole mir das Kind."
Hel ist geschockt. Sie wusste das dieser Tag kommen wird, hat es aber immer
verdrängt.
"Nein, bitte du kannst sie nicht mitnehmen."
"Wir hatten eine Vereinbarung. Alva kommt mit mir. Du bist fruchtbar, du wirst andere Kinder haben. Wie ich sehe, trägst du bereits wieder eins unter dem Herzen."
"Wie kannst du das wissen? Ich war mir selbst nicht mal sicher. Du bist keine Mutter, sonst könntest du nicht so herzlos sein."
"Ich bin nicht herzlos. Du hattest 7 Jahre. Und du hast den Preis damals akzeptiert."
"Ich hatte doch keine Ahnung, was du verlangen würdest. Du wirst sie mir nicht wegnehmen! Das lasse ich nicht zu!"
"Hel..."
"Halte dich da raus,
Vater!"
"Willst du wirklich den Zorn der Götter auf dich ziehen? Schreckliches würde deine
Familie ereilen. Alva wurde von den Göttern auserwählt. Du kannst ihr Schicksal nicht ändern."
"Wie können die Götter einer Mutter ihr Kind wegnehmen? Wie können sie so grausam sein?"
"Sie ist zu mehr bestimmt, als dem hier. Nun hole sie, es wird
Zeit."
"Ich kenne dich, ich habe von dir geträumt."
Die Seherin muss feststellen, dass Hel ihre Tochter nicht vorbereitet hat. So muss sie ihr alles erklären und bis sie fertig ist, graut schon der Morgen.
"Damit das klar ist, ich gehe nicht ohne Ulv!"
"Du willst diese
Flohansammlung mitnehmen? Na gut, Kaz wird nicht begeistert sein, aber so sei
es."
"Dann geh. Vater kann mich morgen bringen."
"Nein, du begleitest mich."
"Das werde ich nicht. Ich will mich richtig von meiner Familie verabschieden. Ich werde morgen noch
vor Einbruch der Nacht zu dir kommen."
"Also gut!"
Na das kann ja heiter
werden, denkt die Seherin. Die Kleine hat jetzt schon ihren eigenen Willen.
So hat die Familie eine letzte gemeinsame Mahlzeit zusammen. Auch wenn die
Stimmung eher gedrückt ist.
"Ich weiß, ich bin sehr stolz auf dich."
Viel zu schnell wird es Zeit für den Abschied.
"Pass auf dich auf, Schwester."
"Und du auf Mama."
Sie verabschiedet sich von ihrer kleinen Schwester.
Und natürlich von ihrem Großvater, Birla und den Tieren.
"Hier wurdest du geboren, Alva. Und hier sind deine Mutter und ich, den Bund eingegangen."
Hel fängt an zu weinen, das alles ist zuviel. Ivar versucht sie zu trösten, aber sein Herz ist ebenfalls schwer.
"Hör auf die Seherin und tu was sie sagt. Sie ist eine weise und gute Frau, die viel Wissen besitzt. Aber sie ist auch gefährlich. Vergiss das nie."
Alva verspricht es ihr. Sie wird brav sein, zuhören und lernen. Damit ihre Mutter sie bald besuchen darf.
Sie kennt nun die Wahrheit, aber das spielt für sie keine Rolle. Ivar wird für immer ihr Vater bleiben.
Dann rennt sie schnell die Treppe hoch und wirft die Tür hinter sich zu. Die Seherin hat sie bereits erwartet.
Zurück bleiben die weinende Hel und Ivar, der keine Worte findet, um seine Gefährtin zu trösten.
Beim Seerstamm
Auch beim Seerstamm gibt es Veränderungen.
Hier trägt die von Übelkeit geplagte Asaug Torivs kleine Tochter Magrét, die längst kein Baby mehr ist.
Genau wie Magréts großer Bruder Finn.
Außerdem hat Asaug ein Geheimnis.
"Hier, eine Rose für meine wunderschöne Blume."
"Wir können so nicht weiter machen, Omar. Das mit uns geht so nicht mehr."
"Warum nicht? Ich bin dein Sklave. Ich gehöre dir."
"Aber das ist nicht richtig. Ich gebe dich frei. Du kannst gehen, wo immer du hin möchtest."
"Du schickst mich weg?"
"Es ist deine Entscheidung. Du kannst gehen, oder du kannst bleiben. Du bist nun ein freier Mann."
"Dann bleibe ich. Ihr seid meine Familie und das ist mein Zuhause. Wo sollte ich hin gehen? Wie könnte ich dich verlassen? Vielleicht bin ich nun frei, aber mein Herz gehört dir. Das hat es schon immer."
"So soll es sein. Ziehst du nun in mein Schlafgemach und teilst ganz offen das Bett mit mir? Als mein Gefährte?"
"Nichts würde ich mir mehr wünschen."
"Na du weißt ja nicht, was ich dir sonst noch zu erzählen habe."
Als hätte der Tag für Omar noch besser werden können. Er ist frei. Asaug ist nun seine Gefährtin und noch dazu wird er Vater. Er könnte nicht glücklicher sein.
Asaug wollte nie einen Gefährten haben. Wozu brauchte sie auch einen
Mann? Aber manchmal wenn sie einsam war, holte sie Omar in ihr Bett.
Omar liebte sie schon, seit sie ihn von seinem vorherigen Besitzer
gefordert hatte. So stolz und schön.
Und Asaug? Ihr gefiel, wie Omar sie verwöhnte. Immer öfter holte sie ihn zu sich. Nicht mehr länger nur aus Einsamkeit. Doch mehr und mehr fühlte sich das falsch an. Er sollte selbst entscheiden, ob er bei ihr sein wollte.
Nicht als Sklave, sondern als freier Mann. Würde er gehen? Oder würde er bleiben und sein Leben mit ihr teilen? Wäre er gegangen, so hätte er nie erfahren, dass sie ein Kind von ihm erwartet.
Asaug wollte, das er seine Entscheidung frei von Fesseln fällt. Dabei ist die Liebe selbst, doch die stärkste Fessel. Dieser Wahrheit muss sich selbst eine Frau wie Asaug ergeben.
Asaug ist glücklich. Spielt es da noch eine Rolle, dass sie einst andere Pläne hatte? Das Leben geht seinen eigenen Weg. Und manches ist eben Schicksal.
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